Sie heißen Leo Schwarzschild, Julius Rotschild und Louis Oppenheimer. Beispielsweise. Sie waren Weinheimer. Und sie gehörten im Oktober 1940 zu den mehr als 6500 Juden aus Südwestdeutschland, die ins südfranzösische Internierungslager Gurs deportiert wurden. Ihre Namen sind auf Grabsteinen zu lesen, die in Gurs einen Friedhof bilden, der schon in den 60er-Jahren zu einer Gedenkstätte für Holocaust-Opfer wurde. Auch in Weinheim wurden am 22. Oktober 1940 rund 60 Juden aus ihren Häusern geholt und im Schlosshof festgehalten. Von dort begann die Zwangsreise. In Mannheim standen die Züge in Richtung Frankreich. Es wurde eine Zugfahrt ohne Rückkehr.

Einmal im Jahr treffen sich Vertreter der Städte und Gemeinden, in denen Menschen Opfer der Deportation wurden, vor Ort in Gurs zu einer Gedenkfeier; die Stadt liegt in den Pyrenäen. Diesmal nahmen die Stadträte Karl Bär und Hans-Georg Junginger für die Stadt Weinheim daran teil. Beide waren zum ersten Mal in Gurs und im benachbarten Pau, wo ebenfalls Opfer der Deportation begraben sind.

Für Hans-Georg Junginger war es auch eine Reise in die jüngere Geschichte der Weinheimer Kommunalpolitik. Er saß 1996 im Gemeinderat, der einen Beitritt der Stadt in die Arbeitsgemeinschaft der betroffenen Kommunen beschloss. Mannheim, Freiburg und Karlsruhe waren dort schon vertreten. Weinheim kam etwas später dazu, wie Konstanz, Emmendingen, Lörrach und Offenburg, ein paar Jahre später auch Bruchsal.  Seine SPD-Fraktionskollegen und Vorbilder Hans Heckmann und Jakob Hohenadel traten in diesem ersten Jahr die geschichtsbelastete Reise an; beide hatten den Zweiten Weltkrieg und das Nazi-Regime noch in eigener Erinnerung.

In diesem Jahr hatte der Besuch angesichts eines spürbar wachsenden Antisemitismus auf der Welt nochmal eine besondere Bedeutung, betonten jetzt Junginger und Bär, als sie sich am Mahnmal für die Opfer von Krieg und Gewalt trafen. Dort liegen im Moment alte Reisekoffer als Erinnerung an die Deportation, wie jedes Jahr. Dort ließen sie ihre Reise und ihre Eindrücke nochmal Revue passieren. Zur Arbeitsgemeinschaft gehört neben den Städten auch die Israelitische Religionsgemeinschaft Baden.

Junginger und Bär berichteten von einer Gedenkveranstaltung, die beeindruckend und beklemmend zugleich war. An der Gedenkveranstaltung nahm auch Staatssekretärin Sandra Boser aus dem Kultusministerium teil. Im Rahmen der Gedenkfeier wurde eine Installation enthüllt, die Schüler aus Emmendingen entworfen haben. Die Stadt am Kaiserstuhl hat in diesem Jahr die Sprecherrolle der Arbeitsgemeinschaft. In fünf Sprachen wurden Ansprachen gehalten, die einen Tenor hatten: Nie mehr Ausgrenzung, nie mehr Rassismus.

Pressemitteilung der Stadt Weinheim, 02. November 2023