„Wir schaffen das – ich denke, dass Ihre Bundeskanzlerin und Parteifreundin Angela Merkel mit diesem Spruch vor neun Jahren zunächst Recht gehabt hat, denn auch wenn hinsichtlich der Integration der damals zu uns gekommenen Menschen noch eine gewisse Wegstrecke vor uns liegt, sind wir auf einem guten Weg, aber das hat nicht für immer seine Richtigkeit, denn mittlerweile habe ich aufgrund der nicht enden wollenden Zufluchtsströme meine Zweifel.“ Mit diesen Worten begrüßte Weinheims Oberbürgermeister Manuel Just den hiesigen CDU-Bundestagsabgeordneten Alexander Föhr auf dem Areal der Flüchtlingsunterkunft im Gorxheimer Tal. Der Abgeordnete für den Wahlkreis Heidelberg/Weinheim hatte sich für eine Besichtigung der Container-Siedlung angekündigt, um sich vor Ort ein eigenes Bild zu machen und mit dem Chef einer Stadtverwaltung nach Jahren von hohen Zuwanderungszahlen über aktuelle Herausforderung zu sprechen.

„Der stetige Austausch mit den Kommunen ist mir unheimlich wichtig. Hier, vor Ort, erleben die Menschen, ob Politik funktioniert“, äußerte Föhr zu Beginn des Termins seine Wertschätzung für die Teilnahme der Praktiker aus den verschiedenen Verwaltungsbereichen. OB Just wurde begleitet von seiner Integrationsbeauftragten Ulrike Hermann und von Dieter Dumtzlaff, der im Bürger- und Ordnungsamt für die Unterbringung zuständig ist. 

Er rechnete vor, dass derzeit rund 470 Flüchtlinge im Rahmen einer Anschlussunterbringung in kommunalen Unterkünften untergebracht sind, rund 55 hiervon in den Containern im Gorxheimer Tal. Dumtzlaff verhehlte aber auch nicht, dass etliche Container, die 2015 beschafft worden sind, mittlerweile aus den unterschiedlichsten Gründen nicht mehr bewohnbar sind. 

OB Just berichtete auch, dass sich die Stadt in den Jahren nach der ersten großen Flüchtlingswelle 2015 entschieden habe, weitgehend dezentrale Einrichtungen zu schaffen für maximal 70 Personen pro Einheit, um eine Verteilung im Stadtgebiet zu erreichen und dadurch eine höhere Akzeptanz in der Bevölkerung. Dafür habe die Stadt in Zeiten sehr angespannter Haushalte zehn bis zwölf Millionen Euro investiert. Damit habe man „vernünftigen Wohnraum geschaffen“ in der Hoffnung, er werde nach einer gewissen Zeit als sozialer Wohnraum weiteren Bevölkerungsgruppen zur Verfügung stehen.  

Allerdings, pro Jahr kommen nach einer Zuteilung durch den Landkreis, rund 150 bis 200 weitere Personen hinzu, während nur wenige wegen des angespannten Wohnungsmarktes die Unterkünfte verlassen. 

Dieter Dumtzlaff verwies darauf, dass sich die Zahl der Obdachlosen, für die eine Kommune gleichermaßen zuständig ist, im gleichen Zeitraum nahezu verdoppelt hat. 120 Menschen schützt die Stadt mit einer Unterkunft derzeit vor Obdachlosigkeit. So kommt es, dass nun zwei ehemalige Schulen in der Weststadt zu Flüchtlingsunterkünften umgebaut werden mussten. Der Bezug in die frühere Bachschule durch 40 Personen stehe jetzt bevor. Dabei hatte man in der Stadt mit den Arealen der frei werdenden Schulen ganz andere städtebauliche Pläne. Im nächsten Jahr muss die Stadt in Sulzbach eine weitere neue Flüchtlingsunterkunft bauen, erklärte OB Just. Kosten: rund fünf Millionen Euro – und das bei einem defizitären Haushalt. „Das sind Dimensionen, von denen wir nicht wissen, wie wir sie schaffen sollen, selbst wenn wir an unser humanitären Verpflichtungen, als ein Land und eine Stadt, die ihren Beitrag leisten müssen, einen hohen Anspruch haben, so der Rathauschef. 

Alexander Föhr besichtigte Container, kam mit den Vertretern der Kommune ebenso ins Gespräch wie mit Bewohnern. Auch der Bundestagsabgeordnete berichtete von Erfahrungen in den Städten und Gemeinden, in denen „die erste Euphorie einer großen Ernüchterung gewichen ist“. Die Kommunen, vor allem KiTas und Schulen, stoßen mit der Integration immer mehr an ihr Grenzen. Die Flüchtlingspolitik und die immer schwierigere Integration werde ein entscheidendes Thema im bevorstehenden Bundestagswahlkampf sein, darüber waren sich OB und MdB einig. Föhr bekräftigte, dass seine Partei für eine Begrenzung der Einwanderung sei – bis hin zu einer Zurückweisung an den Grenzen. Die Zuwanderung müsse steuerbar sein, statt unreguliert. Just plädierte aus Sicht der Kommunen dafür, bei der Aufnahme von Flüchtlingen „von einer Kapazitätsplanung statt von einer Bedarfsplanung“ auszugehen. Eine Meinung, die Föhr teilte. 

Zudem müsse die Integration deutlicher eingefordert werden, zum Beispiel mit einem verpflichtenden Kindergartenjahr vor der Einschulung, um Sprachbarrieren abzuräumensowie der schnelleren Integration in den Arbeitsmarkt. Manuel Just betonte, dass die Große Kreisstadt in enger Abstimmung mit dem Landkreis arbeite, damit Flüchtlinge erst dann in Weinheim eintreffen, wenn Wohnraum zur Verfügung steht. Bislang habe man das immer geschafft – meistens aber gerade so, mit Kreativität und Improvisationsfähigkeit. „Und wenn morgen ein Bus mit Flüchtlingen an der Stadtgrenze steht?“, fragte Föhr rhetorisch. „Dann wäre das der Worst Case, den wir bislang vermeiden konnten“, gestand der OB, „dann müsste ich wohl in der Not eine Turnhalle belegen“. Der Abgeordnete bedankte sich für die „wertvolle Offenheit“.

Pressemitteilung der Stadt Weinheim, 24. Oktober 2024

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