Wie war das damals vor 25 Jahren, als das Mahnmal für die Opfer von Krieg, Gewalt und Vertreibung im Weinheimer Stadtgarten entstand, am oberen Ende der Ehretstraße? Viele erinnern sich daran nicht mehr. Es war im Jahr 1999, als das Mahnmal eingeweiht wurde, um das Nazi-Denkmal in Sichtweite in Relation zu setzen und nicht einfach so stehen zu lassen – im wahrsten Sinne des Wortes. Es gab Diskussionen dazu, aber heute sind sich alle einig, dass es der richtige Ort und die richtige Botschaft ist. Das Mahnmal ist immer wieder Ort für bewegende Gedenkveranstaltungen. Einmal im Jahr – wie jetzt am Samstag – am 9. November – zum Beispiel für ein Gedenken an die Reichspogromnacht, die auch in Weinheim im Jahr 1938 die Judenverfolgung der Nazis auf unmenschliche Weise angefacht hat.
„Denkmäler sind nicht nur stumme Mahnmale der Geschichte. Sie sind auch lebendige Orte des Gedenkens und der Auseinandersetzung. Sie zwingen uns, Fragen zu stellen: Woran erinnern wir? Und wie erinnern wir? Denkmäler haben die Kraft, die Vergangenheit lebendig zu halten – nicht als eine ferne, abgeschlossene Geschichte, sondern als Teil unserer Identität, die uns lehrt, wachsam zu sein und aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen“, so fasste es Weinheims Oberbürgermeister Manuel Just zusammen, der zur Gedenkstunde eingeladen hatte.
Erika Heuser, vor 25 Jahren Stadträtin und eine der „Mütter“ des Mahnmals schilderte, wie es seinerzeit dazu gekommen war, wie die Diskussionen verliefen – und wer sich am Ende durchgesetzt hat. Es seien „Tiefe Furchen durch die Stadtpolitik gegangen“, erinnerte sie sich. Erst nach einem Antrag der SPD und mit der ausdrücklichen Unterstützung des damaligen Oberbürgermeisters Uwe Kleefoot sei das Projekt umgesetzt worden. Der heutige Ehrenbürger Uwe Kleefoot nahm an der Gedenkfeier ebenfalls teil.
Der Künstler Hubertus von der Goltz wurde damals beauftragt. „Es war vor 25 Jahren ein großer Tag für die Stadt Weinheim“, erklärte Erika Heuser. Seither müssten die Soldaten des Kriegerdenkmals ständig anschauen, „was sie aus Hochmut und Menschenverachtung verbrochen haben“.
Zuvor hatte OB Just den Bogen gespannt von den Ereignissen des 9. Novembers 1938 in die heutige Zeit, in der Rassismus, Antisemitismus und Rechtsextremismus längst nicht überwunden sind. Eher im Gegenteil.
„Lassen Sie uns wachsam sein, mutig und standhaft. Der Kampf gegen Antisemitismus und Rechtsextremismus erfordert unser aller Engagement und Herz“, forderte Manuel Just. Und er betonte: „Es ist ein langer Weg, aber es ist ein Weg, den wir gemeinsam gehen können und müssen – für unsere Mitmenschen, für unsere Demokratie und für eine Gesellschaft, die Menschlichkeit und Respekt über alles stellt.“
Was könne jeder einzelne konkret tun? Zuerst einmal sei es wichtig, nicht nichtschweigen. Jeder habe die Pflicht, gegen antisemitische und rechtsextremistische Äußerungen und Handlungen einzutreten. Just: „Jedes Wort zählt, jede Geste, jedes Einschreiten gegen Hass ist ein kleines, aber wertvolles Zeichen dafür, dass wir uns auf die Seite der Menschlichkeit stellen.“ Man müsse Antisemitismus und Rechtsextremismus öffentlich benennen und verurteilen, und man müsse beide im Alltag bekämpfen – in der Schule, am Arbeitsplatz, im privaten und öffentlichen Raum. Er rief dazu auf: „Lassen Sie uns wachsam sein, mutig und standhaft. Der Kampf gegen Antisemitismus und Rechtsextremismus erfordert unser aller Engagement und Herz, für unsere Mitmenschen, für unsere Demokratie und für eine Gesellschaft, die Menschlichkeit und Respekt über alles stellt.“
Er erinnerte daran, dass die Reichspogromnacht kein „spontaner Ausbruch des Volkszorns“ war, wie es das NS-Regime darzustellen versuchte. Es handelte sich stattdessen um gezielte, geplante Gewalt, eine orchestrierte Vernichtung durch das Regime, das jegliches Mitgefühl, jede Menschlichkeit abgelegt hatte. Und die breite Masse der Gesellschaft sah zu. Einige mit offenen Augen, andere mit beschämendem Schweigen.
Just: „Wir stehen heute hier, um die Erinnerung an die Opfer dieser Nacht und der folgenden Jahre zu ehren. Wir stehen hier, um uns selbst und einander zu erinnern, dass solche Taten nie wieder geschehen dürfen. Diese Erinnerung ist keine bloße Form, sondern eine Pflicht!“
Als Vertreterin der Kirchen erinnerte die evangelische Dekanin Ute Jäger-Fleming, dass es auch Christinnen und Christen waren, die in der Nazizeit „Menschenrechte mit Füßen getreten haben“. Der in Weinheim lebende Jude Marcel Kopito ergriff spontan das Wort und drückte sein Bedauern darüber aus, dass nicht mehr als etwa 60 Personen an der Gedenkfeier teilnahmen. OB Just griff den Faden auf und appellierte: „Es muss unsere Aufgabe sein, als Multiplikatoren in die Stadt hinein zu wirken, dass mehr Menschen an solchen Anlässen Stellung beziehen.“
Der Saxofonist Jochen Furch umrahmte die Gedenkstunde angemessen musikalisch.
Pressemitteilung der Stadt Weinheim, 09. November 2024