Angesichts des Holocaust-Gedenktages und aktueller Filmproduktionen wie „Wannsee“ ist das schwärzeste Kapitel der deutschen Geschichte gerade sehr aktuell. Auch im Museum der Stadt Weinheim in der Amtsgasse ist das Interesse an der Ausstellung „Gurs 1940 – die Deportation und Ermordung der süddeutschen Jüdinnen und Juden“ nach wie vor sehr hoch. Deshalb hat sich Museumsleiterin Claudia Buggler entschieden, die Sonderausstellung bis einschließlich 27. Februar zu verlängern.

Vermutlich 54 Menschen, dazu fünf weitere aus dem seinerzeit eigenständigen Dorf Lützelsachsen, wurden am 22. Oktober 1940 von den Nationalsozialisten festgenommen und verschleppt. Ziel der Deportation war das Lager Gurs in Südfrankreich. Der einzige Grund: Sie waren Jüdinnen und Juden. Nur wenige von ihnen überlebten.

Die Deportation von mehr als 6500 Jüdinnen und Juden aus Südwestdeutschland ist Thema dieser umfassenden Ausstellung, die am 9. November – dem Gedenktag an die Reichspogromnacht 1938 – in Weinheim eröffnet worden war. Bei den Verschleppungen am 22. und 23. Oktober 1940 handelte es sich um eine der ersten systematischen Deportationen durch die Nationalsozialisten. Viele der Deportierten starben in Gurs oder in anderen Lagern Südfrankreichs. Die Internierten wurden ab dem Sommer 1942 nach Auschwitz-Birkenau und Sobibor verschleppt und ermordet.

Die Inschriften auf dem Friedhof in Gurs nennen auch Namen von Weinheimer Bürgerinnen und Bürgern, die an Hunger, Mangelernährung, Kälte und Infektionskrankheiten starben – viele in den ersten Monaten nach ihrer Ankunft.

Es waren Menschen aller Altersstufen und aus vielen Berufen: Ernst Rapp war vier Jahre alt, Doris Hirsch sieben Jahre, Kurt Altstädter zehn Jahre. Die ältesten waren Recha Heil (73 Jahre), Emma Lehmann (82 Jahre) und Emilie (70 Jahre) und David Benjamin (69 Jahre).

Die jüdischen Weinheimer Bürger wurden in den frühen Morgenstunden des 22. Oktobers von ihrer bevorstehendeb Abschiebung in Kenntnis gesetzt. Ihnen blieb nur wenig Zeit, ihre Koffer zu packen. Die Menschen wurden aus ihren Wohnungen durch die Polizei geholt. Ihr Weg führte sie meist durch die Hauptstraße, wo sie von den anderen Weinheimer Bürgern bemerkt werden mussten, in den Schlosshof. Das Schloss war seit 1938 im Besitz der Stadt Weinheim und Sitz der Stadtverwaltung. „Herzzerreißend, zu sehen, wie am 22. Oktober 1940 unsere jüdischen Mitbürger am Tage ihrer Deportierung verzweifelnd, zitternd und zagend auf dem Rathaushof nach Hilfe und Beistand sich umsehen, ohne eine Hand zu spüren“, schreibt Daniel Horsch in seinem 1964 erschienenen Aufsatz über den Friedhof in Gurs. Vom Weinheimer Schlosshof aus ging es weiter nach Mannheim, wo die Züge warteten. Das in Weinheim zurückgebliebene Vermögen wurde erfasst und beschlagnahmt, das Mobiliar und die Haushaltsgegenstände schließlich im Obstgroßmarkt öffentlich versteigert, die Häuser und Grundstücke verkauft.

Auch die Juden in Lützelsachsen wurden mit einem Lastauto abgeholt und nach Mannheim gebracht.

Aus Anlass des 80. Jahrestages der Deportation nach Gurs gestaltete die Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz unter der Schirmherrschaft von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in Kooperation mit Partnern in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, im Saarland und in Frankreich schon im Jahr 2020 die Ausstellung. Sie zeigt den Ablauf der Deportation und das Verhalten der lokalen Bevölkerung.  Sie beschreibt die furchtbaren hygienischen Zustände im Lager Gurs anhand von Berichten, Fotos und Zeichnungen der dort internierten Menschen. Sie beleuchtet die Zusammenarbeit der Vichy-Regierung und der Nationalsozialisten. Weitere Kapitel widmen sich der Erinnerungskultur und der Aufarbeitung. In Weinheim wird die Ausstellung ergänzt durch Dokumente zur Deportation aus Weinheim.

Ausstellungsdauer in Weinheim: bis 27. Februar 2022
Ausstellung im Museum der Stadt Weinheim, Amtsgasse 2
Öffnungszeiten: Dienstag bis Donnerstag und Samstag 14  bis 17 Uhr, Sonntag 10 bis 17 Uhr.

Pressemitteilung der Stadt Weinheim, 29. Januar 2022

Skip to content