Oberbürgermeister Manuel Just fasste es zusammen: „Woanders zieht man wegen der Lautstärke von Volksfesten vor Gericht, in Weinheim setzt man sich an einen Tisch und redet.“ Der Rathauschef brachte damit die Stimmung eines Treffens auf den Punkt, bei dem sich Anwohner des Kerwegebietes und Kerwe-Straußwirte mit Vertretern der Stadtverwaltung und der Feuerwehr über Sicherheitsaspekte und die Geräuschentwicklung durch Musikbeschallung abstimmten. Es war das erste Abstimmungsgespräch dieser Art und erforderlich geworden, weil sich Anwohner des zentralen Kerwegebietes in einer IG Altstadt zusammengeschlossen und über die Lärmentwicklung beschwert hatten.

„Die Kerwe ist unser größtes und wichtigstes Fest“, bekräftigte Just, „und das soll sie auch bleiben“. Auch die Partystimmung in den Gassen dürfe nicht leiden. „Wir wollen den Menschen das Feiern nicht verleiden“, beschrieb er. Gleichsam sei die Stadt verpflichtet, die Beschwerden der Anwohner ernst zu nehmen. Der OB erntete zustimmendes Nicken im großen Saal des Rathauses von allen Seiten, als er beschrieb: „Wir sind uns einig, dass es bei der Kerwe 2022 einfach zu laut geworden ist.“

Das wurde ihm auch von Straußwirten bestätigt: „Es war einfach ein ganz spezielles Jahr nach Corona“, schilderte ein Straußwirt, Manches sei daher vielleicht übertrieben gewesen, das nun auf ein normales Maß zurückgeführt werden sollte, „ohne das Kind mit dem Bade auszuschütten“.

Die Stadt hat in den vergangenen Wochen etliche Recherchen angestellt und einen externen Experten für Veranstaltungs- und Beschallungstechnik hinzugezogen, der jetzt als Lösung einen „Leitfaden zur Schallemissionen an der Weinheimer Kerwe“ vorlegte. Das ist Tim Remark aus Ladenburg; er gilt vor allem als Experte für umsetzbare und rechtssichere Konzepte. Unter anderem berät er auch die Stadt Ladenburg bei ihrem Altstadtfest.

Sein Konzept, das auf beiden Seiten zwar Nachfragen nach sich zog aber in den Grundzügen akzeptiert wurde – zunächst in einer Erprobung im August 2023 – steht auf vier Säulen: Erstens werden erstmals Schallgrenzen definiert, die im Tageszeitraum in den Abendstunden eine Straßenparty-Stimmung erlauben, aber der Lautstärkegrenze entsprechen, die auch in der Weinheimer Kerwesatzung aus dem Jahr 2003 angegeben und den einschlägigen Rechtsverordnungen wie der LAI „Freizeitlärmrichtlinie“ entspricht. Dies werde eine spürbare Verbesserung für die Anwohner bedeuten, erklärte Tim Remark.

Die Stadt verpflichtet sich, gemeinsam mit seinem Team, Messungen vor den Straußwirtschaften vorzunehmen. Die Messungen seien entsprechend zu dokumentieren und bei berechtigtem Interesse offenzulegen. Wesentlich baue man aber auch auf die Eigenitiative der Betreiber.

Zur weiteren Minderung geballter so genannter Schallemissionspunkte soll ein konkurrierendes Verhalten von Straußwirtschaften verhindert werden, in dem Straußwirtschaften auf eine gemeinsame Zuspielerquelle zugreifen, wenn sie nahe beieinander liegen. Und nicht zuletzt soll für die Anwohner eine Telefonnummer eingerichtet werden, mit denen Verstöße gegen den Leitfaden gemeldet werden können.

Der Tenor des rund einstündigen Gesprächs war, dass dieser Leitfaden, der den Straußwirten mit der Genehmigung übergeben wird, für alle Beteiligten – zumindest in einem Versuch 2023 – umsetzbar ist, ohne die Kerwestimmung, wie man sie vor Corona kennt, zu trüben, aber für die Anwohner „erträglich“ macht, wie es Uwe Seehaus, der für die AG Altstadt sprach, beschrieb.

Auch die Straußwirte und Gastronomen begrüßten die Initiative der Stadt, die Vertreter der unterschiedlichen Interessen zum Gespräch an einen Tisch geholt zu haben. Das könne auch der Anfang einer verbesserten Kommunikation und der gemeinsamen Initiative für eine Kerwe sein, die allen Spaß macht. Gespräche mit den Anwohnern und eine „Manöverkritik“ soll es bald nach der Kerwe geben.

Obwohl die Interessen vielleicht doch nicht so unterschiedlich sind, Uwe Seehaus bekundete für die Anwohner: „Wir sind nicht gegen die Kerwe und wir wollen sie auch nicht aus der Stadt vertreiben, wir wollen am liebsten sogar mitfeiern.“

Alle Gesprächspartner versicherten, dass sie die Vereinbarungen in der Öffentlichkeit als Zukunftssicherung der Kerwe positiv vertreten werden. Gemeinsam wollen sie auch für weitere Straußwirtschaften werben und Hauseigentümer im Gerberbachviertel ansprechen, schön gelegene Höfe bereit zu stellen (Vorschläge an Marktmeisterin Tamara Metz, t.metz@weinheim.de). Fest steht: Vom 11. bis 14. August wird in Weinheim gefeiert.

(Pressemitteilung der Stadt Weinheim, 14. Juni 2023)