„Weinheim hat sich in einem schwierigen Jahr 2023 gut gehalten, nicht zuletzt dank einer engagierten Bürgerschaft in vielen Bereichen. Wir sind und wir bleiben eine überaus liebens- und lebenswerte Stadt, in der ich sehr gerne und aus Leidenschaft Oberbürgermeister bin.“ Mit Sätzen wie diesem hat Weinheims Oberbürgermeister Manuel Just beim traditionellen Neujahrsempfang am Sonntag die Bürgerinnen und Bürger seiner Stadt auf gesellschaftlichen Zusammenhalt und auf ein konstruktives Demokratieverständnis eingeschworen.
Just ging auch auf einige kommunalpolitische Diskussionen und Entwicklungen ein und forderte Solidarität mit der Stadt und ihren Akteuren. Unter anderen bekräftigte er, dass er sowohl am Gewerbegebiet Hintere Mult als auch am Hotelprojekt am Waidsee festhalten will.
Die Rahmenbedingungen seien schwieriger geworden, die „Zeit der Selbstläufer ist vorbei“, analysierte der Rathauschef. Somit stehe man auch in Weinheim vor großen Herausforderungen. Aber, so bekräftigte der OB: „Es wird ein Jahr, und da bin ich mir sehr sicher, in dem wir Weinheim wieder einmal gemeinsam voranbringen werden.“
„Anpassungen in der Flüchtlingspolitik“
Manuel Just spannte den Bogen von einigen bundes- und landespolitischen Themen, die direkte Auswirkungen auf die Kommune haben, wie den Zuzug einer großen Zahl von geflüchteten Menschen, deren Unterbringung und Integration mittlerweile die Belastungsgrenzen der Städte und Gemeinden überschreite, so der OB. „Die Flüchtlingskrise hat innerhalb eines Jahrzehnts bereits zum zweiten Mal vieles auf den Kopf gestellt“, stellte er fest – angesichts aktueller Diskussionen um Standorte für Flüchtlingsunterkünfte in der Stadt. Es fehle zwischenzeitlich an nahezu allem Grundlegendem, was für die Integration aber erforderlich sei, so Just: An Fläche und damit an Immobilien, um den Menschen ein Dach über dem Kopf, geschweige denn eine menschenwürdige Unterbringung zu ermöglichen, an Kita- und an Schulplätzen sowie an Sprach- und Integrationsangeboten.
Er, so Just, sei der felsenfesten Überzeugung, „dass wir in einem Land leben, in dem wir unserer humanitären Verpflichtung gegenüber den anderen Teilen dieser Welt gerecht werden müssen“. Aber es brauche dringend eine europäische Antwort auf diese Frage, die nicht darauf ausgerichtet ist, dass Deutschland ein Viertel aller Flüchtlinge in Europa alleine aufnimmt. Der OB appellierte: „Unsere Regierung in Berlin muss die deutsche Flüchtlingspolitik wirksam anpassen, denn auf dem Spiel steht nicht weniger als der soziale Frieden in den Städten und Gemeinden – also genau dort, wo man im Moment zusammenrücken sollte.“ Allerdings, so der Rathauschef: „Bis zu einer Lösung auf höherer politischer Ebene sind wir weiterhin gemeinsam verpflichtet, alles in unserer Macht stehende zu ermöglichen, um unseren Verpflichtungen nachzukommen.“ Er kündigte an, dass die Stadt schon in den nächsten Tagen eine neue Initiative vorstellen wird, mit der noch effizienter Wohnraum rekrutieren werden soll – wenn auch dies weiterhin schwierig sein werde.
Allerdings müsse der Respekt vor den flüchtenden Menschen bei der Benennung der Realitäten vor Ort gegenüber der großen Politik weiterhin die Maxime des kommunalen Handelns bleiben, forderte Just. Allerdings: „Wir alle wissen, dass die Überforderung der Menschen vor Ort mit dieser Situation der Nährboden für rechtspopulistische und rechtsextreme Parteien und Gruppen sind. „Wir sollten uns daher davor hüten, den Sprachgebrauch der Rechtsextremen und Rechtspopulisten zu kopieren, aber Probleme zu verharmlosen oder sie zu verschweigen, erhöht nur die Frustration und damit die Wirkung der Populisten“. So der OB.
„Bürokratie Bremse Nummer eins“
Auch die Explosion der Baupreise mit gleichzeitigem Anstieg der Zinsen, einhergehend mit einem Arbeitskräftemangel im Handwerk wirke sich auf die Situation der Stadt aus, analysierte er. Zum Beispiel: „Es ist selbstredend, wenn ich Ihnen sage, dass wir zum Beispiel beim Angebot von günstigem und sozial abgefedertem Wohnungsbau im Gebiet Allmendäcker gerne deutlich weitergekommen wären.“ Just sprach auch vom Ärger über steigende bürokratische Hemmnisse. Die Bürokratie sei Deutschlands Bremse Nummer eins – „und das sage ich als Leiter einer Behörde…“, fügte er mit einem Augenzwinkern hinzu.
Besonders unangenehm sei dabei, dass die Städte und Gemeinden oft als Bremser wahrgenommen werden, obwohl sie in Wirklichkeit nur das umsetzen, was ihnen als Exekutive von Legislative und Judikative vorgeschrieben werde.
Er ging auf konkrete Projekte vor Ort ein. So sei die Sanierung der DBS-Sporthallen ohne Alternative, um die Qualität des Bildungsstandortes zu erhalten und den Menschen in den Vereinen, die unsere Gesellschaft tragen, keine Einschränkungen zumuten wollen. Ähnlich verhalte es sich auch bei der Sanierung des Victor-Dulger-Bades in Hohensachsen. Auch dazu stehe er als OB – obwohl beide Maßnahmen wegen der anzustrebenden Klimaneutralität ganz andere Ausmaße angenommen haben.
Klimaschutz und Energiemanagement werde als Querschnittsthema mittlerweile immer und überall mitgedacht. „Aber“, so Just, „das sollte uns nicht lähmen“. So sei bei der Erschließung eines Gewerbegebietes in der Hinteren Mult und beim Bau eines Parkhauses zur Lösung der Parkprobleme am Miramar eine nachhaltige Lösung möglich. Just: „Nachhaltig ist es in meinen Augen nämlich nicht nur Natur, sondern auch Arbeitsplätze und auch Freizeitmöglichkeiten vor Ort zu bewahren.“ Er bedauerte: „Aber wir tun uns eben manchmal schwer damit, das Positive zu sehen – auch hier in Weinheim.“ Just fasste zusammen: „Ich habe Ihnen ausführlich die Auswirkungen der verschlechterten Rahmenbedingungen und der wachsenden Herausforderungen für unsere Stadt dargelegt, es darf in dieser Gemengelage nicht passieren, dass wir uns in unseren eigenen Möglichkeiten vor Ort auch noch selbst behindern.“ Er kündigte an, dass das Jahr 2024 auch bereits unter den Vorzeichen der Heimattage 2025 stehen wird. Im Moment sei die Stadt „für dieses Großereignis, das uns über die Grenzen der Region hinaus weiter bekannt machen wird“, bei der Akquise von Partner und Unterstützer in der Wirtschaft (Alle Informationen unter www.heimattage2025.de).
„Fachkräftemangel ist gewaltig“
Zuvor war der Weinheimer Oberbürgermeister auch auf bundes- und weltpolitische Themen eingegangen. Dabei hatte er eingangs den ZEIT-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo zitiert, der in einem Leitartikel zu Weihnachten geschrieben hatte: „Die Welt wartet auf frohe Botschaften, aber sie kommen nicht.“ Selten war ein Jahreswechsel – global gesehen – so sehr von Ängsten und Befürchtungen geprägt wie dieser, beschrieb Manuel Just.
Mehrfach zitierte Just angesichts der Kriege in der Welt auch die Holocaust-Überlebende Margot Friedländer, die neulich appelliert hatte: „Ihr braucht andere Menschen nicht zu lieben, aber (der) Respekt vor anderen ist unverzichtbar.“
Auch Handwerks-Obermeister Helge Eidt sprach von einer „Regulierungswut und Bürokratie“, die dem Handwerk und dem Mittelstand zu schaffen mache. Das Handwerk bleibe aber kämpferisch und nehme die Herausforderungen wie seit Jahren an. Symbolisch gegen den Fachkräftemangel hatten die Handwerksmeister bei der Überreichung ihrer Gaben zwei Azubis dabei. „Es gibt doch noch Lehrlinge“, rief Helge Eidt aus.“ Aber der Fachkräftemangel sei gewaltig. „Wir müssen deutlich herausstellen, wie wichtig das Handwerk ist.“
Traditionell wurde der Weinheimer Neujahrsempfang – zum zweiten Mal in der Stadthalle – von den Weinheimer Blüten ebenso umrahmt wie von der Weinheimer Stadtkapelle. Die Blütenprinzessin und die Lützelsachsener Weinkönigin sprachen Grußworte. Erstmals konnten sich Weinheimer Vereine im Foyer der Öffentlichkeit präsentieren.
Pressemitteilung der Stadt Weinheim, 7. Januar 2024