Poetry Slammerin und Pflegeaktivisten Leah Weigand kommt nach Weinheim

23Jan19:0020:30Poetry Slammerin und Pflegeaktivisten Leah Weigand kommt nach Weinheim

Event Details

Leah Weigand wird 1996 als Kind zweier Pflegekräfte geboren. Nach dem Abitur geht sie ein Jahr zum Freiwilligendienst nach Uganda. Danach lässt sie sich in Marburg zur Gesundheits- und Krankenpflegerin ausbilden. Seit 2022 studiert sie Medizin in Marburg. Schon als Jugendliche schreibt Weigand Gedichte, mit denen sie auch öffentlich auftritt. 2020 erschien ihr erstes Studioalbum „Nur zur Erinnerung“, auf dem elf ihrer Texte mit musikalischer Untermalung zu hören sind. 2021 gewann sie die hessischen Meisterschaften im Poetry Slam und 2022 erreichte sie das Finale der deutschsprachigen Meisterschaften in Wien. Über die Poetry-Slam-Szene hinaus bekannt macht sie dann ein Text, der ursprünglich nur für ihre Kollegen gedacht war: „Ungepflegt“ beschreibt in 137 Versen den Pflegeberuf, vom Erhabenen zum Banalen, vom letzten Atemzug bis zum Zäpfchenschieben. Später schreibt Weigand den mit persönlichen Anspielungen gespickten Text für die Bühne um, trägt ihn auch öffentlich vor und landet mit dem Mitschnitt einen viralen Internet-Hit.

Der Erfolg bringt Weigand ins Fernsehen und ermöglicht ihr eine Buchveröffentlichung: Ihr Debüt „Ein wenig mehr Wir“ ist im Frühjahr bei Droemer Knaur erschienen. Am 23. Januar 2024 stellt Leah Weigand ihr Buch im Café Central in Weinheim vor. Einlass ist ab 18.30 und Beginn um 19 Uhr. Der Eintritt ist kostenlos, stattdessen wird um Spenden gebeten. Der Abend wir veranstaltet und finanziert vom Weinheimer Netzwerk „Runder Tisch Demenz und Pflege“. Die Spendengelder verwaltet der Förderverein Leben mit Demenz Weinheim e.V. der als Teil des Netzwerks sich für die Integration von Betroffenen einsetzt. Schulungskurse für Demenzbegleiter und Nachbarschaftshilfe vermitteln Wissen über die Demenzerkrankungen und den Umgang mit Betroffenen. Angehörigengruppen fördern den Austausch untereinander und geben Kraft. Interessierte können sich auf der Webseite http://leben-mit-demenz-weinheim.de über alle Termine und Initiativen informieren und Kontakt aufnehmen.

**Leah Weigand über sich selbst**

Ausschnitte aus Interviews der Hessenschau mit Anna Spieß

und der Neuen Osnabrücker Zeitung mit Daniel Benedict

„Ich habe immer gerne Tagebuch geschrieben und gemerkt, das Schreiben ist meine Verarbeitungsform. Ich verstehe im Schreiben mich selbst und die Dinge der Welt ein bisschen besser. Das war aber eigentlich immer nur für mich gedacht.

Irgendwann habe ich von dem Format Poetry Slam erfahren, da war ich schon Teenager und saß im Publikum und fand es cool. Ich habe mich aber erst noch nicht getraut, selbst aufzutreten, bis mich irgendwann ein Freund mehr oder weniger zu einem Slam hingeschubst hat. Da habe ich es ausprobiert. Ich habe viel Zuspruch bekommen. Und dann habe ich weitergemacht. Mittlerweile stehe ich manchmal auf absurd großen Bühnen, aber trotzdem auch noch auf den kleinen, die ich meistens sogar etwas lieber hab.

Meine Eltern sind beide Pflegekräfte und so waren Themen rund um Gesundheit, Krankheit und Medizin schon immer präsent für mich. Schon früh war ich begeistert vom Wunder Mensch und wusste, dass ich einmal mit und an ihm arbeiten möchte. Dann kamen verschiedene Praktika im Aus- und Inland, ein Job als Pflegehilfe, dann die Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin und jetzt das Medizinstudium.

Nachdem ich jetzt ein Buch rausgebracht habe, sage ich auch mal Autorin. Aber ich bin eben nicht nur eine Autorin, die Wörter schreibt, sondern auch ein Spoken-Word-Artist. Für mich gehört es dazu, dass ich meine Texte auf der Bühne vortrage. Das ist eine Dimension, die immer noch dazukommt: die Arbeit mit der Stimme und dem Körper.

Ich hatte sehr viel Glück mit meiner Lektorin, die mir ganz viel Freiheit gelassen hat. Trotzdem war das Ganze für mich eine völlig neue Welt. Auf der Bühne verändern die Texte sich auch immer noch ein bisschen. Viele Bühnenkünstler schreiben nach jedem Auftritt um. Das ist bei mir nicht so. An meinen Texten wird lange geschliffen, bevor ich sie zum ersten Mal auf die Bühne bringe. Was ich anpasse, ist nur meine Vortragsart. Wenn Sätze nicht gut rüberkommen, ändere ich die Betonung. Und da spielt die Publikumsresonanz eine große Rolle. In allen Texten habe ich versucht herauszufiltern, dass ich eine Sucherin der Menschlichkeit bin und dass ich herauszufinden versuche, was Menschlichkeit bedeutet – was ist das verbindende Element in uns allen?

Manchmal habe ich ein Thema, das mir auf der Seele brennt und bei dem ich denke, dazu muss man mal etwas sagen. Manchmal ist es auch so, dass ich mich bei meinen Freunden über ein Thema dauernd aufrege und die dann sagen, schreib doch einen Text dazu.

Manchmal habe ich aber auch einfach eine Zeile im Kopf, die irgendjemand sagt, oder die mir in den Sinn kommt und ich denke, das klingt so poetisch, das könnte eine Pointe von einem Text sein – und dann geht es damit los.

Eigentlich will ich mit meinen Texten nichts forcieren. Ich finde es immer schön, wenn Menschen berührt sind, wenn sie vielleicht auch überrascht sind. Sie können auch empört sein. Das ist, glaube ich, mein grundsätzlicher Wunsch, dass ich irgendwas bei Menschen auslösen möchte. Ich will aber nicht predigen oder eine bestimmte Message rüberbringen, denn dann könnte ich auch eine politische Rede halten.

Ich trete schon lange bei Poetry Slams auf. Vor zwei Jahren habe ich im Hamburger Ernst-Deutsch-Theater das Gedicht „Ungepflegt“ vorgetragen, das ich zum Ende meiner Pflegeausbildung geschrieben hatte. Der Auftritt landete im Internet. Und innerhalb von Tagen konnte ich mitansehen, wie er hundertausendfach angeschaut und geteilt wurde. Dann begann eine verrückte, aufregende und überfordernde Zeit. Ich bekam ungeheuer viele Zuschriften, die meisten positiv, und wurde in Talkshows eingeladen. Verlage haben auch angefragt und seit diesem Jahr gibt es mein Buch. Ich habe gemerkt, was Kunst schaffen kann. Dass sie Räume öffnet für Diskussionen und dass sie den Fokus auf bestimmte Themen legen kann, die vielleicht ein bisschen aus dem Gedächtnis geraten sind.

Ich bin plötzlich in die Rolle einer Pflegeaktivistin reingerutscht, was ich gar nicht geplant hatte. Vorher war ich einfach eine Künstlerin, die ab und zu auch politisch wird. Auf einmal wurde ich ganz anders eingeordnet und stand für das Anliegen der riesigen Pflege-Community. Damit musste ich erstmal umgehen und mich fragen: Wer will ich jetzt eigentlich sein? Das ist meine aktuelle tägliche Herausforderung. Ich war und bin manchmal an dem Punkt, an dem ich denke: Ich muss mich jetzt für eins entscheiden und dann merke ich, dass ich das jeweils andere schmerzlich vermissen würde. Meine Hoffnung ist, dass ich beides machen kann und es sich weiter gegenseitig inspiriert und bekräftigt. Jemand, der mit seiner Kunst Räume öffnet – aber nicht die Person, die dann auch die Kämpfe ausficht. Ich ermutige aber jeden gern, selbst die Stimme zu erheben.

Das wäre mein großer Wunsch: dass man eine Sprache findet für das, was uns bewegt. Auf den Stationen schafft man es nur selten, aus dem Alltag rauszuzoomen. Natürlich braucht man Witze und Humor. Wenn man länger im Beruf ist, kippt das aber leicht in Sarkasmus und Zynismus. In der Klinik erlebt man jeden Tag Grenzsituationen. Für uns ist das Alltag, aber für die Patienten sind es absolut keine Alltagssituationen. Es wäre schön, wenn man das benennen könnte. Wenn man sagen könnte, wie besonders es ist, dass man gerade ein Kind beim ersten Atemzug begleitet hat oder einen alten Menschen beim letzten. Dass man mit einem Patienten geweint oder ihn getröstet hat.“

Weitere Informationen (Link): www.leben-mit-demenz-weinheim.de

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Time

(Donnerstag) 19:00 - 20:30

Location

Cafe Central

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